Audiodrom

von Erik Boß

Foto: Auf dem Dach vom Velodrom - (c)2020

Heute habe ich mich beim Fotografieren von einem Audiowalk inspirieren lassen, der mich auf das Dach vom Velodrom und von der daneben liegenden Schwimmhalle geführt hat. Angefangen hatte alles mit einem Artikel in der taz mit dem Titel "Gehen, wahrnehmen und denken". Für das Smartphone gibt es eine App namens "Echoes" (interactive GPS-triggered sound walks). Hier sind Berliner Stadtspaziergänge zu finden, die sich kräftig von den touristischen Angeboten unterscheiden. In der taz wurde ein Audiowalk durch den Wedding beschrieben, besprochen von Autoren mit den unterschiedlichsten Sichtweisen. Man kann sich den Audiowalk nur vor Ort anhören. Erst wenn die richtige Position erreicht wurde, beginnt der Stream.

Bei der Sichtung der angebotenen Touren habe ich einen Audiowalk entdeckt, der auf das Dach vom Velodrom führt und nur kurze 15 Minuten dauert. Das klang nach einem guten Einstieg ins Programm, zumal ich fast in Sichtweite dort arbeite und nach Feierabend gleich mit der Tour beginnen konnte.

Auf der App ist der Startpunkt notiert, dort habe ich mich hinbegeben und war nun gespannt, was passieren würde. Ein freundliche Stimme bat mich, die Stufen hinauf zu gehen. Oben war ich gleich in einer Wiesenlandschaft. Ich wurde gebeten, mich auf die Wiese zu setzen. In meinem Kopfhören vernahm ich die Geräusche einer Schafherde. Dann ging es weiter, und ich wurde andere Stufen hinunter geleitet. Hier waren die geschlossenen Fenster eines Gebäudes zu sehen waren. Die freundliche Stimme führte mich um das Gebäude herum, irgendwann sollte ich hineinschauen. Im Audio vernahm ich Wettkampfgeräusche aus einer Schwimmhalle. In der Realität konnte ich tatsächlich ein Training zu sehen, alle sprangen gleichzeitig vom Startblock. Und das während der Corona-Einschränkungen und den geschlossenen öffentlichen Schwimmbädern.

Ich wurde weiter um das Haus geschickt. Im Audio waren jetzt Jugendliche zu hören, die tranken, Flaschengeräusche am Boden waren zu hören, und aggressive Anmache von Passanten. In der Realität waren tatsächlich überall Glassplitter verstreuten, am hinteren Ende des Gebäudes standen zwei Gestalten. Zum Glück hat mich der Audiowalk die Treppe hinauf gebeten. Und sich freundlich verabschiedet. Dann war das Prgoramm beendet.

Ich kann mich noch erinnern, wie damals dieser Sporthallenkomplex für Olympia geplant wurde. Alles unterirdisch, und obendrauf ein begehbares grünes Dach mit Apfelbäumen. Schicke Fotosimulationen wurden damals angefertigt. Olympia ist nie gekommen, die Apfelbäum stehen einzeln, verkümmert, kleinwüchsig. Nun haben wir hier einen brachliegenden Stadtraum. Keine gepflegten Grünanlagen, ein riesiges, windiges Areal voller Gestrüpp und Betonwegen. Bei genauerem Hinsehen sind doch eine Menge Leute hier. Vor allem welche mit Hund, aber es wird auch angeregt miteinander gesprochen und dabei Runde um Runde gedreht. Auch Jogger haben hier ihre Strecke, es ist sogar möglich, kilometerweit geschützt vor Regen überdacht immer um die Schwimmhalle zu laufen. Kinder mit Fahrrädern sind hier, und abends kommen wohl die Jugendlichen, die leeren Flaschen deuten darauf hin. So haben sich die Leute selbst diesen Raum angeeignet, ganz anders als von den Olympionieken geplant.

Vielen Dank für euer/Ihr Interesse an meinem Foto-Blog.
Erik Boß

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