Neukölln

von Erik Boß

Foto: Bahnbrücke über den Neuköllner Schifffahrtskanal - (c)2020

Die erste Fotosession, die hier 2021 veröffentlicht wird, hat mich zum Neuköllner Schifffahrtskanal geführt. Der Bahnhof Sonnenallee, wo dieser kleine Spaziergang beginnt, liegt noch mitten im Wohngebiet, aber nur fünf Gehminuten entfernt wird die Gegend unwirklich. Es beginnt ein Gewerbe- und Industriegebiet, aber diese Begriffe treffen es nicht richtig. Es gibt hier viele Brachen, eingezäunte Gebäudeensembles, Silos, Schornsteine. Viele Fußgänger sind zu sehen, sie scheinen zwischen dem Wohngebiet hinter dem Kanal und dem Bahnhof zu pendeln. Am Straßenrand sind auffällig viele Schrottfahrzeuge abgestellt. Weiter hinten ist das riesige Estrel-Hotel zu sehen, davor Hafenkräne, die Schrott sortieren. Runtergekommene Gastronomie gibt es hier. War es ein vergeblicher Versuch, Estrel-Gäste anzulocken? Und dann noch der Rohbau der neuen Stadtautobahn. Das Grundwasser der Baustelle wird in omnipräsenten Rohren in den Kanal gespült.

Einmal mehr stellt sich bei dieser Fotosession die Frage, warum ich diese Bilder mache - und andere nicht. Wahrscheinlich ist es so, dass ich in den Grauzonen der Stadt interessante Motive erahne. Ich mag Gegenden, wo nicht alles stimmt. Wo es Widersprüche gibt, wo etwas entsteht oder vergeht, wo sich kräftige Motive erst beim zweiten Blick zeigen.

Hinter dem Neuköllner Schifffahrtkanal bin ich dann weitergelaufen, ohne weitere Fotos zu machen. Ich habe mich nicht mehr wohl gefühlt. Ich denke, es war nicht die Armut, sondern ein herunterziehender Mix aus Verwahrlosung und Hoffnungslosigkeit, der mich da blockiert hat. Ein Grundsatz von mir ist es, dass man prinzipiell überall gute Fotos machen kann. Das setzt aber voraus, offen zu sein für die Gegend, die man besucht. Das war ich im zweiten Teil der Tour sicher nicht. Vielleicht komme ich hier noch einmal her.

Vielen Dank für euer/Ihr Interesse an meinem Foto-Blog.
Erik Boß

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