Krumme Lake

von Erik Boß

Foto: Miniatur-Amazonas am Berliner Stadtrand - (c)2021

Wer am Strandbad Grünau aus der Tram aussteigt und nicht zum Langen See läuft, sondern geradewegs in den Wald, kommt nach ein paar Schritten zur Krummen Lake. Diese ist eine interessante Mischung aus Wasserlauf, Wald, Wiesen und Morast. Auf kleinen Wegen, manchmal durchs Unterholz, ist es möglich, dem Wasser zu folgen. Der Wald ist im April aus dem Winterschlaf erwacht, und überall zeigen sich unter dem immer noch vorherrschenden grauen Kleid die ersten Frühlingsboten.

Am Tag meines Waldbesuches veröffentlichte auch der Tagesspiegel einen interessanten Beitrag über den deutschen Wald mit dem Titel "Mikado mit Bäumen" (13.04.2021). Im Wald finde sich heute nicht nur die organische Natur in Form vielerlei Pflanzen, sondern es wächst dort auch eine zweite Natur, eine "nature mort“, eine gestorbene Natur. "Wer dem Dickicht der Großstadt entkommt, stößt in den nahen Wäldern kaum mehr aufs gewachsene Unterholz, sondern läuft auf allen Pfaden entlang einer Trümmerlandschaft aus sich immer spektakulärer auftürmendem Bruch- und Schlagholz. Als hätten Riesen mit unseren Bäumen Mikado gespielt." Man belässt das heruntergefallene und umgestürzte Holz dem natürlichen Verfall.

„Im Grunewald, im Grunewald ist Holzauktion – der Berliner Gassenhauer vom Ende des 19. Jahrhunderts klingt da wie nostalgische Ironie. Stattdessen gemahnen die Leichen der unzähligen gefällten, geborstenen, umgestürzten, oft kreuz und quer verschränkten Bäume mit all ihren kahlen Armen und Ästen, den knorzigen Strünken, abgesprengten Rinden und aufgerissenen Wurzelwerken an eine Mischung aus Ruinenlandschaft, Friedhof, Freilichtmuseum und Science-Fiction-Szenerie" schreibt der Tagesspiegel weiter.

Spuren menschlicher Holz-Aktivitäten sind dagegen aus einer anderen Richtung überall im Wald zu finden: "Nahe den Wanderwegen stehen oder entstehen nun hölzerne Wigwams aus halbwegs handlichen Stämmen, Strünken und Ästen, es ist die neue Baumhauskultur emsiger kleiner Großstadtindianer. Das alles hat sich in den beiden letzten Jahren unübersehbar verstärkt. Und das Gesicht des Waldes grundstürzend verändert." Ich kann diese Beobachtungen nur bestätigen, diese Baumzelte finden sich jetzt überall.

In diesem Sinne ist der Aufenthalt im Wald heute immer auch eine komplexe kulturelle Angelegenheit. Der Wald ist ein offener Zufluchtsort vor der Pandemie, es ist ein Sehnsuchtsort nach Vollkommenheit und Schönheit, es ist ein Ort des Verfalls und ein Mahnmal der Umweltzerstörung durch die Industriegesellschaften. Fotografrien im Wald sind, wie jede Fotografie, höchst subjektiv. In der Auswahl der Motive und der Art und Weise ihrer Präsentation zeigt sich, wohin die Fotografen bewusst und unbewusst gezogen werden.

Vielen Dank für euer/Ihr Interesse an meinem Foto-Blog.
Erik Boß

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